sreda, 18. maj 2011

Mariborska kultura korupcije

Članek novinarja Herwiga Höllerja v graškem tedniku Falter o mariborski kulturi korupcije – za zadnje dvomljiveže, ki še vedno trdijo, da sta to povsem ločeni zgodbi. Zanimiva je karakterizacija fizičnega spora med Živadinovim in Čandrom, ki jo je Oto Luthar v spodnjem članku označil za perfomens: »Jeder, der Živadinov kennt, weiß, dass das Teil seiner Performance ist.«
Nadaljujmo nenavadno misel: kaj pa če je tudi kultura korupcije, ki se jo gredo, en velik perfomens? Seveda lahko takšno misel vzamete resno le, če ste satirik. Prav to je storil Sašo Hribar v svoji humoristični seriji Radia Ga-Ga: Kangler je zgolj vadil za svoj novi film. Izvajalci performensov v obliki fizičnih napadov ali koruptivnih dejanj s takšnim opravičilom na sodišču k sreči nimajo nobenih šans…Resno vprašanje je prav nasprotno: kaj pa je če razvijajoča se kultura korupcije res nekaj, kar se nam dogaja vsem na očeh? In potrebujemo EPK natankoma zato, da bi isto kulturo vsaj zakamuflirano razumeli kot kulturo?
Die Kultur der Korruption
Die Korruptionsaffäre von Maribor zeigt, dass in der Kulturhauptstadt Europas 2012 vieles im Argen liegt
Maribor ist nicht die Korruptionshauptstadt Europas und wird es wahrscheinlich nie sein“, sagte ein gewisser Janez Ujcic vergangene Woche in einer Pressekonferenz. Der Lokalpolitiker Ujcic, ein Mitglied der Marburger Stadtregierung, war zu einem verzweifelten Versuch zur Ehrenrettung seiner Stadt angetreten. Die aktuelle Kampagne in den Medien, so klagte er, hätte doch nichts mehr mit Anstand zu tun. Hier werde eine mediale Jagd auf den Bürgermeister Franc Kangler organisiert, die diesen ausschließlich in einem negativen Licht zeige.

Seit zwei Wochen und einem großangelegten Polizeieinsatz beschäftigt sich Maribor mit einer Korruptionsaffäre – Bürgermeister Kangler, Beamten und Bauunternehmern werden Dutzende Verfehlungen vorgeworfen. Die Debatte und eine extensive Berichterstattung in slowenischen Medien – in Österreich ist, bezeichnend für die Rezeption Sloweniens, dazu bislang kein Artikel erschienen – kommen zur Unzeit: 2012 ist die Stadt, gemeinsam mit fünf Kleinstädten im Nordosten Sloweniens, Kulturhauptstadt Europas – Evropska prestolnica kulture (EPK). Das Großprojekt war zuletzt nicht mit positiven Schlagzeilen verwöhnt worden – zuletzt war man vor allem mit internen Konflikten aufgefallen und mit Kulturbauten, die nun 2012 doch nicht mehr realisiert werden.

Aber wird die Korruptionsaffäre Auswirkungen auf das Kulturhauptstadtjahr haben? Das slowenische Kulturministerium beschwichtigt: „Kein Ereignis kann Vorbereitung und Ausführung des Projekts beeinflussen.“ Probleme könnte es jedoch im Protokollarischen geben. Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) war wiederholt mit seinem Amtskollegen aufgetreten. Angesichts einer mehr als schiefen Optik in Maribor stellt sich die Frage, ob er das in Zukunft weiterhin so bereitwillig tun wird.

Doch zurück zum Polizeieinsatz: 116 Beamte hatten am 4. Mai in und um Maribor 25 Hausdurchsuchungen durchgeführt, Dokumente an zwanzig Orten beschlagnahmt und neun Personen, darunter auch den Bürgermeister und seine Amtsleiterin, vorübergehend in Gewahrsam genommen. Über einen Beamten, der für Baubewilligungen verantwortlich ist, wurde die Untersuchungshaft verhängt, der Bürgermeister selbst kam nach 16 Stunden wieder frei. Der hemdsärmelige Rechtspopulist Kangler von der ländlich-konservativen Partei SLS, ein ehemaliger Polizist aus dem Dorf Duplek, Spitzname: „Sheriff von Duplek“, war 2006 überraschend zum Bürgermeister gewählt worden. 2010 war er mit absoluter Mehrheit im Amt bestätigt worden. Doch nun werden ihm Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit in mehr als 15 Fällen vorgeworfen. Er selbst bestreitet alles und spricht von einem „politischen Konstrukt der Linken“. An einen Rücktritt denkt Kangler nicht. Führende Intellektuelle Maribors rund um den Philosophen Boris Vezjak hatten dies in einem offenen Brief gefordert – auch in Hinblick auf die Kulturhauptstadt.

Seit einem Auftritt in einer Polittalkshow am Tag nach der Polizeiaktion hat sich Kangler weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und steht für kritische Nachfragen nicht mehr zur Verfügung. Auch ein bereits schriftlich zugesagtes Interview mit dem Falter wurde kurzfristig wieder abgesagt. Für den Bürgermeister und seine zahlreichen Co-Verdächtigen gilt bis zu einer etwaigen rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Ein Prozess wird auf sich warten lassen, auch die Mühlen der slowenischen Justiz mahlen langsam: Beobachter sprechen von ein bis zwei Jahren.
Ganz neu sind die Vorwürfe freilich nicht. Auch der Falter hatte bereits 2009 (Falter 14/2009) über fragwürdige Immobiliendeals berichtet, von denen Kangler'sche Amigos profitierten – und das zum Schaden der Stadtgemeinde. Doch das wahre Ausmaß offensichtlich begründeter Verdachtsmomente wurde erst dieser Tage offenbar. Denn die Anordnung des Bezirksgerichts Maribor, auf deren Basis die Polizei am 4. Mai zur Tat schritt, hat es in sich: Auf 23 Seiten skizziert das an Medien geleakte Gerichtsdokument ein Sittenbild der Stadt, in der Korruption und Freunderlwirtschaft völlig normal zu sein scheinen. Nahezu jedes größere Projekt der Ära Kangler steht nach Ansicht der Ermittler unter Verdacht.
Die Polizei hatte zudem, was bislang unbekannt war, bereits seit 2008 ermittelt. Damals hatte der investigative Journalist Tomaž Klipšteter in der Tageszeitung Dnevnik eine Artikelserie veröffentlicht, die sich mit dem Verkauf eines vier Hektar großen Areals in bester Lage beschäftigte. Die Stadtgemeinde hatte überraschend umgewidmet, profitiert hatte eine mit dem Bürgermeister mehrfach verbandelte Baufirma namens MTB. Am 26. Februar 2008 tauchte ein Insider bei der Polizei auf. Dieser wusste von einem Gespräch zwischen Kangler und einem Unternehmer zu berichten, das sich auf eine neue Privatwohnung des Bürgermeisters bezog. „Willst du das ganze Leben Schulden zahlen?“, habe der Unternehmer gefragt. Und Kangler habe erwidert: „Die Schuld wurde mit dem Puppentheater getilgt, danach wird alles normal weitergehen.“ Kangler hatte seine neue Wohnung zuvor bei MTB gekauft. Diese Firma hatte auch den Puppentheater-Auftrag bekommen – die Kosten waren aber aus ungeklärten Gründen um 4,7 Millionen Euro höher als erwartet ausgefallen.
Seit Februar 2009 hatten Ermittler zudem die Telefone von Kangler und zahlreichen Co-Verdächtigen abgehört. Das Gerichtsdokument zitiert mehr als 70 Telefonate aus den Jahren 2009 und 2010, die auf Dutzende Machenschaften verwiesen. Eine kleine Auswahl: So ist von zwei weiteren Immobilien Kanglers die Rede – eine soll der Bürgermeister deutlich unter ihrem Wert gekauft haben, bei seinem neuen Häuschen in einem idyllischen Wald kümmerte sich MTB unter anderem um neue Fenster. Ein befreundeter Unternehmer, der nunmehr das städtische Abfallunternehmen leitet, installierte in einem Vogelhäuschen eine Videokamera. Diese sollte ein weiteres Haus des Bürgermeisters in Duplek überwachen. Nach einer Durchsuchung des Vogelhäuschens beschlagnahmten Beamte die Kamera. Die Rede ist aber auch vom Verkauf eines Grundstücks an die Serbisch-Orthodoxe Kirche zum Schnäppchenpreis – gegen Unterstützung im Wahlkampf. Oder von Rechtswidrigkeiten bei der Errichtung einer Seilbahn.
Manche der inkriminierten Handlungen haben explizit mit der Kulturhauptstadt zu tun. So interessierte sich die Polizei für die Erneuerung des Off-Kulturzentrums Pekarna, die 2012 hätte finalisiert werden sollen. Und auch in Bezug auf eine Subvention für den städtischen Kulturveranstalter Narodni Dom, der auch das sommerliche Lentfestival veranstaltet, orten Ermittler ein Verbrechen: Eine 90.000-Euro Finanzspritze aus Kulturhauptstadtmitteln sei 2009 nur durch Amtsmissbrauch zustande gekommen. Narodni-Dom-Chef Vladimir Rukavina, er gilt als Amigo des Bürgermeisters und hatte 2009 durch ein mysteriöses Straßenbauprojekt an die 200.000 Euro verdient (Falter 03/2010), bestreitet das: „Es ging um eine völlig normale Prozedur.“
Bis Anfang 2011 hatte Rukavina in Personalunion auch die Geschäfte der EPK-Betreibergesellschaft geführt. Eine definitive Ernennung zum Generaldirektor scheiterte am Programmrat, Rukavina trat im Jänner zurück. Im April tat es ihm Tomaž Pandur gleich, der international renommierte Theaterregisseur hatte zuvor den Programmrat geleitet und soll 2012 „Krieg und Frieden“ in Maribor inszenieren. Wenige Tage nach Pandurs Rücktritt generierte ein weiterer Streit slowenienweite Schlagzeilen. EPK-Programmdirektor Mitja Cander hatte dem exzentrischen Theateravantgardisten Dragan Živadinov einen nach Živadinovs Ermessen zu geringen Beitrag für die Koproduktion einer Weltraumoper geboten: Der Avantgardist schleuderte einen Sessel gegen die Wand und beendete seine Zusammenarbeit mit der Kulturhauptstadt.
Der Laibacher Zeithistoriker Oto Luthar, seit März Vorsitzender des Aufsichtsrates der EPK-Betreibergesellschaft, sieht diese internen Auseinandersetzungen gelassen: „Jeder, der Živadinov kennt, weiß, dass das Teil seiner Performance ist.“ Insgesamt seien die Konflikte in und um EPK – so meint Luthar – aber Symptom für die Entwicklung Sloweniens: „Wir haben zu sehr an den Mythos geglaubt, dass Slowenien besser dasteht als andere Transitionsländer. Bei Großprojekten wie der Kulturhauptstadt wird aber deutlich, dass viele Dinge nicht so laufen, wie sie sollten.“ Das sehe man etwa auch daran, wie langsam der Rechtsstaat im Fall Kangler funktioniere. Problematisch sei aber, erklärt Luthar, dass die EPK-Betreibergesellschaft zu spät gegründet worden sei. Hierfür liege die politische Verantwortung in Maribor und seinen Partnergemeinden.
Wohl auch deshalb lassen die offiziellen Pressetexte der Kulturhauptstadt 2012 bislang programmatisch keine allzu großen Würfe erkennen. Die Rede ist von 300 bis 400 Veranstaltungen, davon, dass die Bevölkerung in das Programm involviert werden solle. Ein Special werde dem Schriftsteller Drago Jancar, geboren 1948 in Maribor, gewidmet, genannt wird auch die Weltmeisterschaft im Jugendschach. Und obwohl es in Pressetexten noch versprochen wird: Das von Bürgermeister Kangler zuletzt forcierte Mariborsko kulturno središce (MAKS), ein multifunktionales Kulturzentrum, wird 2012 höchstwahrscheinlich nicht realisiert werden.
Die für 2012 geplanten Bauvorhaben könnten demnächst aber auch zu weiteren Fällen für den Staatsanwalt werden. Etwa der Neubau der städtischen Kunstgalerie Maribor UGM: Die Budapester Architekten Tarka Ltd hatten im März 2010 den Wettbewerb gewonnen. Sie unterschrieben einen Vertrag und arbeiten seit damals am Projekt, ohne jedoch bezahlt zu werden. Architekt Tamás Lévai schreibt von Erpressungsversuchen einer Ingenieursfirma, mit der man auf Geheiß der Stadtgemeinde Maribor habe arbeiten müssen.
Während die Ungarn munter, unbezahlt und ohne Aussicht auf Realisierung weiter planten, präferierte Bürgermeister Kangler vergangenes Jahr dann plötzlich einen Vierzig-Millionen-Euro-Kulturtempel namens MAKS, den ihm Regisseur Tomaž Pandur schmackhaft gemacht hatte. Formal betreibt eine städtische Tochtergesellschaft das Projekt, die Stadt unterschreibt mit ihr einen Mietvertrag. Aus der Sicht des slowenischen Rechnungshofes ist dieser Vertrag rechtswidrig, vergangene Woche beschäftigte sich die staatliche Antikorruptionskommission mit der Causa. Ob MAKS je realisiert wird, ist unklar.
In der kleinen Kunstszene Maribors hat man den Glauben an einen nachhaltigen Effekt der Kulturhauptstadt aufgegeben. Als ironischen Kommentar über eine Hysterie im Vorfeld produzierte die Künstlergruppe son:DA vergangenes Jahres Sticker mit der Aufschrift „Maribor is the future“. Was von 2012 bleiben wird? „Das Wort ‚elaborat‘“, sagt Miha Horvat von son:DA. Die gesamte Marburger Kulturszene verwende derzeit dieses im Slowenischen eher seltene Wort für Projektentwürfe, die man bei der Kulturhauptstadt hatte einreichen können. „Dieses Wort ist jetzt wegen der EPK da. Das ist verrückt.“ 

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